Ihr seid teuer erkauft; werdet nicht der Menschen Knechte. 1.Korinther 7,23
Liebe Schwestern und Brüder,
wenn man den Monatsspruch ein erstes Mal liest, dann fällt der Blick doch irgendwie sofort auf das „teuer erkauft“. Und damit macht man innerlich erst einmal dicht. Denn: Wer möchte sich schon kaufen lassen? Da kommen dann gleiche folgende Sätze in unseren Sinn: „Das geht doch gar nicht. Wir sind doch freie Menschen. Das war vielleicht damals so, aber heute leben wir doch in einer ganz anderen Zeit.“
Ja, so ging es auch mir. Mein nächster Gedanke war dann, weil es ja einen religiösen Hintergrund zu haben scheint: „Okay, irgendwann hab ich mir für die Krippe in unserem Hausflur mal Krippenfiguren gekauft. Die waren damals gar nicht mal so billig. Werden aber leider nur einmal im Jahr aus der Umhüllung genommen und verschwinden einen Monat später wieder“. Aber auch das wird wohl mit dem „ihr seid teuer erkauft“ nicht gemeint sein. Denn wir sind ja keine Figuren, die man nur dann rausholt, wenn man es wünscht.
Immer noch großes Fragezeichen.
Man muss sich dann wohl erst einmal vor Augen halten, in welcher Zeit dieser Text geschrieben wurde. Einige Mitglieder der Gemeinde von Korinth waren Sklaven gewesen. Sie gehörten einem Besitzer oder eben, wie wir es heute eher kennen, einem Herren. Und für diese „Herren“ waren Sklaven nicht ein menschliches Gegenüber, sondern ein „Objekt“, ein „Besitz“, über den man mit mehr oder eher weniger Wertschätzung verfügen konnte. Einige wurden von einer Mutter geboren, die selbst schon Sklavin war. Andere verkauften sich selbst als Sklaven, um Schulden zurückzubezahlen. Und dann gab es noch die sogenannten Sklavenhändler, die Kinder oder Erwachsene entführten und sie verkauften.
Und eben diese Menschen sollen nun plötzlich wieder zu jemandem „unser Herr“ sagen? Paradox, oder?
Es gibt da aber einen kleinen aber sehr feinen Unterschied: Vor Gott, ihrem neuen Herrn, sind sie nun alle gleich. Oder anders gesagt: Sie sind allesamt „einer in Christus Jesus“. Und eben dieser Jesus Christus hat sich für die Befreiung aller Menschen, ob nun Sklave oder frei, in die Rolle des Sklaven begeben und ist stellvertretend für alle am Kreuz gestorben.
Was heißt das nun für uns? Sklaven im Sinne der Sklaven damals, vor 2000 Jahren, sind wir nicht. Aber leider gibt es auch bei uns im Jahr 2020 immer noch Menschen, denen andere Menschen vorschreiben, was sie zu tun und zu lassen haben.
Da fallen mir auf Anhieb die Menschenhändler ein, die junge Frauen nach Deutschland bringen, damit diese dann für sie „auf den Strich gehen“.Oder Länder, in denen Kinderarbeit auch heute noch Gang und Gäbe ist. Oder all die Menschen, die die Not derer ausnützen, die vor den Kriegen dieser Welt fliehen müssen. Diese Schleuser verlangen Unsummen an Geld, um dann auf einem Kahn Hunderte Menschen zusammenzupferchen und sie über das Mittelmeer zu schaffen – unter menschenunwürdigen Bedingungen. Die Bilder davon gingen in den letzten Jahren um die Welt.
Und genau da werden diese Worte, die am Anfang noch klangen, als kämen sie aus einer anderen Zeit, ganz aktuell. Denn sie rufen uns förmlich zu: Macht eure Augen auf. Schaut nicht weg, wenn Menschen auch heute wieder zu Sklaven werden.
Wir können nicht die ganze Welt retten, aber wir können uns immer wieder vor Augen halten, welche Freiheit wir geschenkt bekommen haben.
Ihre Manuela Schmidt