„Was kann uns scheiden von der Liebe Christi?“
Röm. 835
Liebe Schwestern und Brüder,
wir sind mitten in der Fastenzeit. Einige verzichten wieder auf bestimmte Lebens-mittel oder typische Gewohnheiten, nehmen sich mehr Zeit für sich. Die meisten wollen sich damit stärker auf sich besinnen, auf das, was im Leben wirklich zählt. Doch was zählt wirklich im Leben? Jeder setzt da seine eigenen Prioritäten. Der eine betont Familie und Freundschaften, dem anderen sind Bildung, moralische Werte und ein gutes Auskommen wichtig, dem dritten ist die eigene Fitness und Gesundheit das wichtigste. Was es auch sein mag, es tut gut, sich hin und wieder zu hinterfragen, neu auszurichten, zu besinnen. Dafür ist es sinnvoll, dass es solche Vorbereitungszeiten wie die Fastenzeit oder auch die Adventszeit gibt. Natürlich möchte man sich am besten ständig selbst optimieren und auf das Zentrale im Leben besinnen, nicht nur in solchen kurzen Zeitabschnitten. Allein es gelingt im Alltagstrubel kaum oder nur selten zwischen allen Dingen, die uns Sorgen und Mühen bereiten oder uns auch mit schönem und einfachem ablenken. Umso besser, dass es klar definierte Zeiten gibt, in denen man es bewusst versuchen kann.
Als Christen wissen wir natürlich auch, dass die Fastenzeit dazu gedacht ist, den Weg Christi nach Jerusalem ans Kreuz nachzugehen, verstehen zu lernen, was er damit für uns getan hat. Die Fastenzeit heißt auch Passionszeit. Im Wort Passion drückt sich vor allem das Leiden aus, die Schmerzen und Qualen, die Jesus empfunden haben muss, als er erst mehrfach durch harte Prüfungen seines Glaubens gehen musste, dann hochumjubelt begrüßt und nur kurze Zeit später von allen Freunden verraten und von den Mächtigen seiner Zeit zum Tode verurteilt wurde. All das, so ist uns überliefert und so glauben wir, aus tiefer Liebe zu uns, seinen Jüngern, Gottes Geschöpfen. Deshalb assoziieren wir heute mit dem Wort Passion nicht nur Leid und Schmerz, sondern auch Leidenschaft. Wenn jemand etwas zu seiner Passion macht, dann ist das seine Leidenschaft, also etwas, was derjenige mit voller Hingabe tut und dabei auch Schmerzen und Qualen in Kauf nimmt, z.B. Sportler, die nur durch jahrelanges hartes Training und Verzicht auf bestimmte Freuden Weltmeister oder Olympiasieger werden können oder Tüftler und Entwickler, die unter Entbehrungen und Unverständnis der Mitmenschen sehr lange an einer Erfindung arbeiten.
Christus, so glauben und hoffen wir, liebt uns mit eben dieser absoluten Hingabe. Er gibt sich sogar ganz hin für seine Botschaft, seinen Glauben. Er stirbt, damit die Sünden seiner Brüder und Schwestern nicht mehr die Macht haben, sie von Gott und einander fernzuhalten. Wir alle dürfen uns zu seinen Brüdern und Schwestern zählen, wenn wir bereit sind, seinem Beispiel zu folgen, an ihn zu glauben, unsere Hoffnung auf ihn zu setzen, und zwar zu jeder Zeit – in Freude und in Leid.
Manch einen von uns mag solcher unerschütterliche Glauben suspekt, fremd sein. Zu sehr zeigt das eigene Leben, dass alles vergeht und selbst der festeste Glauben erschüttert werden kann. Wenn uns Paulus im Monatsspruch März provokativ fragt „Was kann uns scheiden von der Liebe Christi?“, dann fällt uns sicher viel ein. Wie kann Gott es zulassen, dass es solche Katastrophen wie das Erdbeben in der Türkei und Syrien gibt, Zugunglücke wie in Griechenland, Kriege wie in der Ukraine, Krankheiten oder den Verlust geliebter Menschen? Das sind Fragen, die schnell zweifeln lassen an der Unendlichkeit der Liebe Gottes. Schnell ließe sich Paulus also antworten, dass vieles uns scheiden kann von der Liebe Christi. Uns geht es dabei nicht anders als den ersten Zuhörern von Paulus oder den Empfängern seines Briefes in Rom. Auch die Gemeinde in Rom litt an vielen Dingen, an staatlicher Verfolgung, an Hunger, an Krankheiten. Paulus selbst setzt seiner Frage Beispiele nach, die alle dazu geeignet sind, Menschen weg von Jesus zu bringen. „Trübsal oder Angst oder Verfolgung oder Hunger oder Blöße oder Gefahr oder Schwert?“.
Jeder von uns hat auch schon Schicksalsschläge oder Ungerechtigkeiten erlebt, die uns am Glauben zweifeln ließen. Manche haben dann aufgegeben und sich damit abgefunden, dass sie Gottes und Jesu Liebe nicht mehr vertrauen. Wir wissen ebenso, dass vieles uns nicht nur von Gott, sondern auch voneinander treiben kann. Liebe scheint also doch auch endlich. Familien und Freundschaften zerbrechen und das kann einem den Boden unter den Füßen entreißen. Manchmal gewinnt man den Eindruck, dass das heute öfters oder schneller geschieht als früher.
Paulus dagegen macht uns Mut darauf zu hoffen, dass die Liebe von Jesus nicht so einfach aufhört, dass uns Herausforderungen sogar stärken im Glauben und Vertrauen. Von unserer Seite mag die Beziehung zu Jesus vielleicht abkühlen, von seiner Seite nicht. Er hält trotzig an uns fest und ist da, um uns gerade durch schwere Zeiten hindurchzutragen. In ihm schenkt uns Gott die Hilfe, das Leben auszuhalten, anzunehmen, zu verändern – mit einem liebevollen und versöhnlichen Blick zueinander. Vielleicht können wir am Ende der Fastenzeit, wenn Ostern der Sieg des Lebens über die Endgültigkeit des Todes gefeiert wird, Paulus zustimmen, wenn er sagt:
„Denn ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes noch irgendeine andere Kreatur uns scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserm Herrn.“
In diesem Sinne eine gesegnete Fastenzeit
Chris Schönefeld